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Reisebericht – Destillen-Hopping in Schottland

Ein guter Single Malt rundet den Abend ab. Aber wo liegt die Distillery meines Lieblings-Whiskys eigentlich? Eine Spurensuche an der Westküste auf der Halbinsel Kintyre und über die Inseln Islay und Jura.

Zuhause würde ich das NIE machen, ganz bestimmt nicht. Alkohol und Motorrad fahren, das schließt sich gegenseitig aus. Aber jetzt stehe ich vor einer Gewissensprüfung: Nach der Führung durch die Destille von Bunnahabhain stehen zwei Whiskies vor meiner Nase. Das Probieren gehört zu einer Führung dazu. Lasse ich sie stehen oder trinke ich sie? 

Wir hatten die Fähre nach Nordengland genommen, in den Borders eine Zwischenübernachtung eingelegt und dann die schöne Küste südlich von Oban erreicht. Die Straßen dort sind kurvenreich und kuppig, es herrscht wenig Verkehr und bis auf ein paar sehr eilige Handwerker sind alle tiefenentspannt unterwegs. Ich mag die Gegend hier. 

Direkt neben dem Hotel liegt ein kleiner Park, der vom Scottish National Trust verwaltet wird. Als Hotelgast darf man den Park außerhalb der Öffnungszeiten kostenlos besuchen, den Schlüssel bekommen wir ohne große Fragen an der Rezeption. Würde es das in Deutschland geben, frage ich mich, während ich das Tor zum Park öffne. 1898 wurde er angelegt, zu einer Zeit, als alle Welt sich für exotische Pflanzen interessierte, vor allem natürlich in Großbritannien, dem Land der Gärten und Parks. Immer, wenn ich zuhause den Rasen mähe, fällt mir der Landlord aus "Asterix bei den Briten" ein, der mit einer Sichel einen aufmüpfigen Grashalm köpft. Ich kann zwar Rasen mähen und Laub harken, aber mit einem grünen Daumen bin ich sicher nicht zur Welt gekommen. Trotzdem – oder gerade deshalb – fasziniert mich dieser Park: Ich habe keine Ahnung, wie die blühenden Blumen heißen und was das im einzelnen für Bäume sind. Aber toll sieht es aus. Selbst als Amateur verstehe ich, wie viel Arbeit darin steckt, diese Perle zwischen Meer und einem felsigen Hügel ordentlich in Schuss zu halten. 

Die Halbinsel Kintyre stand als nächstes auf dem Reiseplan. Von Paul McCartney gibt es eine furchtbar schmalzige Ballade, in der er den "Mull of Kintyre" beknödelt. Den Titel mochte ich nie, aber als ich vor ein paar Jahren von der nord­irischen Küste bis nach Kintyre schauen konnte, entstand der Wunsch, das auch mal von der anderen Seite zu sehen. Und so genießen wir die Landstraße von Oban nach Lochgilphead, die phasenweise an eine kleine Achterbahn erinnert und rollern entspannt nach Tarbert und über die gesamte Halbinsel Kintyre, immer nach Süden.

Der Pub am Abend in Campbeltown ist voll, die Stimmung ist super. Bis zum Vormittag hatte ich geglaubt, dass ich mit dem schottischen Dialekt prima klarkomme, jedenfalls besser als mit dem Slang in manchen Teilen Englands. Aber in Campbeltown sinkt mein Hörverständnis rapide. Was reden die hier? Welche Sprache? Manchmal hilft ein zweites oder drittes Pint, doch das örtliche Bier enthält offenbar ausnahmsweise keine Übersetzungshilfe. Also mache ich das so wie es meine schwer­hörige Mutter immer gemacht hat: Nicken, halbwegs kluges Gesicht aufsetzen und so tun, als wüsste ich genau, worum es geht. 

Campbeltown ist ein schmuckes Städtchen, obwohl es so weit abseits aller Verkehrswege liegt. Die Produkte der örtlichen Distillery hatte ich zuhause schon mehrfach verkostet. Sie liegt mitten im Ort in einem Wohngebiet, große Fässer vor der Tür und ein winziger Shop. Mit vier Besuchern und zwei Verkäufern ist der Raum voll. Es sieht aus, als wäre gerade eine Führung zu Ende gegangen, denn nun wird lebhaft diskutiert. Nach einem kurzen Blick sind wir wieder draußen. 

Mull of Kintyre bedeutet soviel wie Kap Kintyre, es bezeichnet die äußerste Spitze der Halbinsel. Die Straße ist schmal, solange sie unten am Sandstrand entlang führt, doch auf dem Weg nach oben wird sie immer enger. Einspurig geht es zwischen Schafweiden und dem steiler werdenden Hang entlang. Manchmal begrenzen Steinmauern den Weg, dann wieder ein handelsüblicher Zaun. So hoch hatte ich mir das Kap nicht vorgestellt. 1404 steht auf der Landkarte. "Das sind Fuß und keine Meter", grinst meine liebste Mitfahrerin. Aber rund 430 Meter Höhe sind für ein Kap auch nicht schlecht. Wir haben schönstes Wetter und sehen die nordirische Küste mitsamt der Insel Rathin Island. Wie schön! Aber eine kleine Enttäuschung kommt doch: Der Weg zu dem Leuchtturm aus dem Jahr 1788 ganz unten ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Wir sehen nur den weißen Turm in der Ferne unter uns aus grünen Wiesen ragen. Eine Infotafel erklärt, dass man sowieso nicht bis zum Lighthouse fahren darf. Na gut, dann eben kein Wandertag heute. 

Wir fahren zurück nach Norden bis Kennacraig. Das ist kein Ort, sondern nur ein Fähranleger. Hier legen die Fähren zur Insel Islay ab. Es ist ein oller Kahn, den CalMac hier einsetzt, obwohl die Route die Lebensader für die florierende Whisky-Industrie auf Islay ist. 

Die Flotte von Caledonian MacBrayne, kurz CalMac, ist überaltert, es fehlt das Geld für Neubauten. Das führt seit zwei Jahren zu regelmäßigen Ausfällen auf diversen Routen. Und zum milden Spott der Einheimischen: An einem Spielzeug-Schiff in einem Laden findet sich der Werbe-Hinweis "zuverlässiger als unsere lokale Fähre". 

Aber unser Schiff macht keine Mucken, die Maschine brummt sonor und gleichmäßig, während wir gut zwei Stunden lang bei Sonnenschein übersetzen auf die Whisky-Insel schlechthin, nach Islay. Acht Distilleries gibt es auf Islay, bei nur etwa siebentausend Einwohnern. Die Namen sind für Liebhaber von schottischen Single Malts alle­samt klangvoll: Lagavulin, Laphroaig und Ardbeg an der Ostküste. Caol Ila und Bunnahabhain am Sound of Islay, der die Insel von der benachbarten Insel Jura trennt. An der Bucht im "Inneren" der Insel liegen noch Bowmore auf der einen und Bruichladdich auf der anderen Seite des Wassers. Newcomer Kilchoman hat seinen Sitz etwas abseits auf der Insel. Hinzu kommen noch die ehemaligen Brennereien in Port Ellen und Port Charlotte, die heute nur noch als Mälzereien oder als Lager dienen. Das ist, für solch eine kleine Insel, eine wirklich besondere Dichte an Herstellern von Hochprozentigem. 

Es ist über zehn Jahre her, dass wir zuletzt auf Islay waren. Manches hat sich nicht geändert, wie der olle Dampfer zum Festland, die Fähranleger und die Straßen. Was sich geändert hat, sind die Preise. Das B&B, in dem wir damals übernachtet haben, verlangt inzwischen 300 Euro pro Nacht für das Zimmer. Nein, keine Leseschwäche und auch kein Druckfehler! Dass Großbritannien teuer ist, war mir klar, aber dass Islay noch so heftig einen draufpackt, verhagelt mir die Stimmung kurzfristig. Da ist unser schniekes Golf-Hotel ja geradezu ein Schnäppchen dagegen. Gutes Essen mit Meerblick hebt die Stimmung wieder. Und über den Golfplatz vor der Tür schaue ich einfach hinweg.

Die Führung bei Bruichladdich damals ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben. Der Master Distiller persönlich hatte uns eine Einführung in das Thema Whisky gegeben. "Nach 15 Jahren haben sich der Whisky und das Holz des Fasses ideal ineinander verschränkt", hatte er damals erklärt. "Danach wird ein Whisky nicht mehr besser, sondern nur noch teurer". Die Führung von damals lässt sich nicht toppen, weshalb wir nur dem Shop von Bruichladdich einen Besuch abstatten. Nett, noch einmal hier zu sein, aber zum Einkaufen finde ich nichts, was ich nicht auch zuhause bekommen könnte. Es ist schon kurios: Auf Islay ist der gleiche Whisky deutlich teurer als bei uns in Deutschland. Grund ist die hohe britische Besteuerung.

Der 12-jährige Bunnahabhain steht öfter mal zuhause im Schrank. Die Destille kennen wir noch nicht. Glück gehabt: Sie haben ein ganz neues Visitor Centre eröffnet, das eine Terrasse direkt am Sound of Jura hat. Wir warten in Liegestühlen mit Blick auf den Wasserweg, dass die Führung beginnt. Nein, ich beschwere mich nicht über das warme Sommerwetter.

Es ist eine klassische Führung durch die alten Gemäuer. Zuerst der Gärungsprozess, dann die Stills, die Brennblasen und zuletzt das Ware House, das Lager. Die Brennblasen sehen in jeder Distillery ein wenig anders aus. In manchen Brennereien erzählen sie Geschichten, dass nur ihre besondere Form den idealen Whisky hervorbringt. Auf Islay nimmt es manchmal die Form eines Battle im besten Geschichten-Erzählen an. Aber bei Bunnahabhain bekommen wir eine Führung ohne Schnickschnack: gut erklärt und ohne Mythen oder Marketing-Geblubber. Die Tour endet im Visitor Centre mit der Gretchenfrage: Trinkst Du den Whisky hier oder möchtest Du zwei kleine Fläschchen mit nach Hause nehmen? Kurz nachgedacht: Das üppige Scottish Breakfast mit Ei, Baked beans, Wurst, Stornoway Black Pudding, gegrillter Tomate und gebratenen Champignons ist noch nicht so lange her. Das müsste eine gute Grundlage sein. OK, fairer Kompromiss zwischen Atmosphäre und Verstand: Den einen trinke ich hier in der Distillery und den anderen nehme ich im Fläschchen mit und trinke ihn am Abend vor dem Zubettgehen. 

Von der Terrasse der Brennerei sehen wir die Paps of Jura auf der anderen Seite des Sunds. Drei Gipfel sollen es sein, aber ins Auge fallen uns vor allem die beiden höchsten kahlen Berge. Jura ist eine schmale, lange Insel. Ein Berg von 785 Metern Höhe wirkt mitten im Meer deutlich größer als im Binnenland. In Port Askaig kommt nicht nur die CalMac-Fähre von Kennacraig an, hier legt auch eine viel kleinere Fähre rüber nach Jura ab. Die Wartespur ist leer, die Fähre hat einen schlichten Tampen vor der Rampe. Niemand ist zu sehen. Noch 15 Minuten bis zur Abfahrt, behauptet der Fahrplan, der hinter beschlagenen Scheiben an einem Wartehäuschen hängt.

Zehn Minuten später schlurft ein älterer Herr um die Ecke, knöpft uns wortlos das Geld für die Tickets ab und geht wieder. Zwei Minuten vor Abfahrt startet die Fähre den Motor, der Tampen wird entfernt und hinter uns rauschen zwei Autos in die bis eben leere Spur. Wir sind schon auf der Fähre und werden aufgefordert, scharf links hintereinander an der Reling zu stehen. Es rumpelt kurz und heftig, die Fähre schaukelt ein wenig und neben uns steht ein fetter Traktor. Der Hinterreifen ist ziemlich groß so dicht neben der Afric­a Twin. Erst danach dürfen die beiden PKW auch noch mit an Bord.

Es ist viel Strömung im Sund, die Fähre wirkt gnadenlos untermotorisiert. Aber irgendwie kämpft sie sich an das andere Ufer und ich bin froh, dass dieser Monster-Trecker sich schnell verzieht. Jura ist etwa 50 Kilometer lang, aber hat, wenn ich Wikipedia Glauben schenken soll, nur etwa 200 Einwohner. Die Straße von der Fähre führt auch nur in eine Richtung: am Ufer entlang, über eine Anhöhe und in Richtung der Ortschaft Craighouse. Unser Ziel, die Distillery von Jura, liegt mitten in dem Dorf. Natürlich statten wir dem Visitor Centre und Shop einen Besuch ab. Besucher aus dem Ausland? Wir werden auf das Herzlichste begrüßt. Sind wir hier Exoten? Ein nettes Gespräch über das Woher und Wohin entspinnt sich.

Fünf Häuser weiter gibt es einen Eisdielen-Schnell-Imbiss-Pub - oder was auch immer das hier ist. Heute ist es so heiß, dass wir nicht auf der Terrasse sitzen mögen, sondern uns ins Innere in den Schatten verkrümeln. Kinder kommen an die Eistheke, Handwerker bestellen sich Fish & Chips und einen Pint Bier, ein älteres Ehepaar bevorzugt Kaffee und Kuchen. Vermutlich ist diese Kneipe für die Inselbewohner wichtiger als Facebook oder die Tageszeitung. 

Unseren Versuch, nach der Pause weiter nach Norden über die Insel zu fahren, brechen wir nach wenigen Kilometern ab: Da kommt nichts mehr außer Landschaft und noch mehr Landschaft. Kein Wunder, dass Jura ein Paradies für Hirsche zu sein scheint. Die Straße ist so einspurig, dass in der Mitte der Fahrspur schon Gras aus dem Asphalt wächst. Zurück auf Islay gönne ich mir am Abend einen 18-jährigen Jura als "Night Cap". Vermutlich kostet das Glas in der Bar fast soviel wie zuhause eine Flasche. Ich will das gar nicht wissen und lasse den Dram auf die Zimmer-Rechnung setzen.

Vor der Rückfahrt auf das Festland machen wir von Port Ellen noch einen Abstecher an die Ostküste der Insel. Ardbeg und Laphroaig wetteifern mit Bruichladdich von der anderen Seite der Insel um den torfigsten Whisky. Wir entscheiden uns spontan für einen Besuch bei Ardbeg, vielleicht, weil die Anlage mit ihren Türmchen so pittoresk aussieht. Was für ein Unterschied zu dem Visitor Centre auf Jura! Ein großer Laden mit Gedöns, von Grillhandschuhen über häßliche Zierteller bis zu Küchenschürzen, alle mit dem eigenen Logo verziert. Immerhin, es gibt ein kühles Café mit Schokoladen-Kuchen, der lecker aussieht - bis zum ersten Bissen. "Da sind ja Marshmallows drin", tönt es entsetzt von gegenüber. "Ja, mit Minz-Geschmack", stöhne ich. Jetzt könnte ich wirklich einen Whisky gebrauchen, um den Geschmack wieder aus dem Mund zu bekommen. 

Die CalMac-Fähre bringt uns von Port Ellen zurück nach Kennacraig. Unsere letzte Station in Schottland heißt Drymen. Das Hotel kennen wir schon, ich habe es als etwas speziell in Erinnerung. Dieses Mal hat das Zimmer keine Regenrinne mittig (!) vor dem Fenster. Dafür gibt es gegenüber der Badewanne einen fest in der Wand verbauten Bildschirm. Natürlich funktioniert er nicht mehr. Aber die Fernbedienung liegt am Waschbecken, als wäre alles OK. Wie so viele Hotels in Britannien hat unsere Unterkunft zwar ein Restaurant, aber im Pub gibt es auch eine kleine Karte. Wir bevorzugen das urige Pub-Meal. Die beiden Ladies hinter dem Tresen haben einen dermaßen trockenen Humor, dass wir gleich noch zwei Pints nachordern. An die eine erinnere ich mich sogar noch vom letzten Besuch. Da hat sie mit ihrem schottischen Akzent eine amerikanische Urlauberin in die Verzweiflung getrieben. Und wir saßen in der Ecke und mussten uns furchtbar zusammenreißen, um nicht laut rauszuprusten. Das kann ein lustiger Abend werden. Cheers.